Herbstlicher Höhenrausch am Stadelhorn

Es ist einer dieser goldenen Septembertage, die den Spätsommer noch einmal in seiner ganzen Pracht erstrahlen lassen. Als ich am frühen Morgen das Auto am Parkplatz abstelle, liegt eine besondere Stille über dem Tal. Die Berchtesgadener Alpen zeigen sich von ihrer schönsten Seite. Die Gipfel leuchten im ersten Sonnenlicht, während in den Tälern noch zarte Nebelschwaden hängen.

Das Stadelhorn ruft. Mit seinen 1532 Metern ist es zwar kein Gigant unter den bayerischen Bergen, aber was ihm an Höhe fehlt, macht es durch Charakter und Aussicht mehr als wett. Der unscheinbare Name täuscht über die Schönheit dieses Gipfels hinweg, der zu den echten Geheimtipps der Region zählt.

Durch herbstliche Bergwälder

Der Aufstieg beginnt sanft durch dichte Mischwälder, in denen sich bereits die ersten Herbstboten zeigen. Goldgelbe Birkenblätter tanzen im leichten Wind, während die Buchen ihre Blätter in warme Brauntöne tauchen. Der Waldweg schlängelt sich gemächlich bergauf, begleitet vom leisen Plätschern eines Bergbachs, der sich seinen Weg ins Tal bahnt.

Nach etwa einer Stunde lichtet sich der Wald zusehends. Die ersten Almwiesen öffnen sich vor mir, und ich genieße den Blick zurück ins Tal, wo die Ortschaften wie Spielzeughäuser in der Landschaft verstreut liegen. Hier oben ist die Luft bereits merklich dünner und frischer. Die Sonne hat inzwischen an Kraft gewonnen und wärmt angenehm den Rücken.

Über Almböden zum hohen Gipfel

Die eigentliche Herausforderung beginnt, als der Weg steiler wird und über offene Almböden führt. Hier zeigt sich das Stadelhorn von seiner wilderen Seite. Der Pfad windet sich zwischen Latschenkiefern hindurch, und mit jedem Höhenmeter wird die Aussicht spektakulärer.

Links von mir ragen die markanten Felswände des Watzmanns in den Himmel, während rechts die sanfteren Formen der Reiter Alm das Panorama vervollständigen. Es ist dieser Moment, in dem ich verstehe, warum Bergsteiger immer wieder hierher zurückkehren – nicht nur wegen der körperlichen Herausforderung, sondern wegen dieser überwältigenden Schönheit der Natur.

Der letzte Anstieg zum Gipfel fordert noch einmal alles. Der Weg wird schmaler, stellenweise sogar etwas ausgesetzt, aber nie gefährlich. Trittsicherheit ist hier gefragt, doch die Mühe lohnt sich mit jedem Schritt.

Unendliches Gipfelglück mit Weitblick

Oben angekommen, öffnet sich ein Panorama, das mich für Minuten sprachlos macht. Der Königssee liegt wie ein tiefblauer Spiegel zu meinen Füßen, eingerahmt von den steilen Wänden der umliegenden Berge. Im Süden grüßen die Gipfel der Hohen Tauern, während im Norden das Voralpenland in sanften Hügeln zur Donau hin abfällt.

Besonders beeindruckend ist der Blick zum Berchtesgadener Hochthron und hinüber zum Untersberg. An klaren Tagen wie diesem reicht die Sicht bis zu den Gletschern der Hohen Tauern. Ich setze mich auf die sonnige Südseite des Gipfels und lasse diese Aussicht auf mich wirken. Hier oben spüre ich diese besondere Ruhe, die nur die Berge schenken können.

Abstieg durch goldenes Licht

Der Abstieg führt mich auf demselben Weg zurück, doch die Stimmung hat sich völlig gewandelt. Die Nachmittagssonne taucht die Landschaft in warmes, goldenes Licht. Die Schatten werden länger, und die Konturen der Berge schärfer.

Besonders schön ist der Moment, als ich wieder die ersten Almwiesen erreiche. Hier grasen noch vereinzelt Kühe, deren Glockengeläut in der stillen Bergluft widerhallt. Diese Idylle der Bergwelt zeigt sich hier in ihrer reinsten Form.

Ein Berg, der in Erinnerung bleibt

Als ich schließlich wieder den Parkplatz erreiche, ist die Sonne bereits tief gesunken. Müde, aber erfüllt von den Eindrücken des Tages, werfe ich einen letzten Blick zurück zum Stadelhorn. Dieser Berg hat mich überrascht – nicht durch spektakuläre Kletterpassagen oder extreme Höhen, sondern durch seine stille Schönheit und die Vielfalt seiner Landschaften.

Das Stadelhorn ist ein Berg für Genießer, für alle, die das Wandern als Weg zur inneren Ruhe verstehen. Ein Gipfel, der beweist, dass die schönsten Bergerlebnisse oft dort warten, wo man sie am wenigsten erwartet.