Stille Pfade auf dem Schützenberg

Es war einer dieser frühen Septembertage, an denen der Sommer noch ein letztes Mal seine warme Hand ausstreckt, während der Herbst bereits leise durchs Laub raschelt. Der Himmel über dem Thüringer Wald klar und lichtblau, die Luft kühl genug, um wach zu machen. Ideal für eine Wanderung auf den Schützenberg, einen der stilleren Gipfel dieser Region.

Einsame Wege und goldener Wald

Der Weg führte mich zuerst durch einen lichten Mischwald, der in diesen ersten Herbsttagen wie vergoldet wirkte. Die Buchen hatten begonnen, ihre Blätter zu verfärben – ein flammendes Gelb, das in der Morgensonne leuchtete. Zwischen den Baumstämmen schimmerte immer wieder das Grün der Farnpflanzen, und das Moos am Wegesrand war so satt, dass es fast überirdisch wirkte.

Ich war allein. Keine Stimmen, kein Lärm – nur das leise Knacken meiner Schritte auf dem Laub und das entfernte Trommeln eines Spechts. Es gibt diese Momente beim Wandern, in denen die Zeit sich anders anfühlt. Der Schützenberg schenkte mir viele davon.

Ein Aussichtspunkt mit Geschichte

Der eigentliche Gipfel des Schützenbergs ist unspektakulär, aber ein wenig unterhalb stieß ich auf eine kleine, felsige Lichtung mit freiem Blick Richtung Süden. Weite Wälder breiteten sich vor mir aus, und irgendwo am Horizont zeichnete sich der Kamm des Rennsteigs ab. Ich setzte mich, atmete tief durch – und blieb lange.

Ein altes Schild am Wegesrand erinnerte an historische Schützenfeste, die dem Berg einst seinen Namen gaben. Heute ist es ruhig hier, aber in den Geschichten des Waldes hallt manches nach. Vielleicht ist das eine der schönsten Seiten solcher Wanderungen: das Gefühl, auf alten Pfaden zu gehen, deren Bedeutung längst verblasst, aber nicht verschwunden ist.

Herbstliche Begegnungen

Auf dem Rückweg begegnete ich einem älteren Mann mit Hund. Er grüßte freundlich, wie man es hier tut, und erzählte mir, dass er fast täglich auf den Schützenberg gehe. „Da oben“, sagte er und zeigte mit dem Finger zurück zum Gipfel, „da ist der Wald noch ehrlich.“ Ich verstand, was er meinte. Dieser Ort ist keine Postkartenidylle, sondern ein Stück geerdete, stille Natur. Kein Inszenieren, kein Spektakel – einfach nur Wald, Wind und Weite.

Ein Stück weiter stob ein Reh durchs Unterholz, und ein Schwarm Buchfinken erhob sich flatternd in die Luft. Ich blieb stehen und sah ihnen nach. Es ist dieser stille Zauber des Ungeplanten, der mich beim Wandern immer wieder fesselt.

Rückkehr mit tollen Erinnerungen

Als ich schließlich wieder am Ausgangspunkt ankam, war der Nachmittag schon weit fortgeschritten. Das Licht hatte sich verändert, war weicher geworden, fast golden. Ich war durch und durch ruhig – auf eine Art, wie es nur ein Tag in der Natur schenken kann. Kein Handy, keine Eile, nur die eigene Bewegung durch den Raum, durch die Zeit.

Der Schützenberg wird oft übersehen – zu unscheinbar vielleicht, zu wenig spektakulär. Aber gerade das macht ihn für mich zu einem echten Geheimtipp im Thüringer Wald. Wer die Stille sucht, wer Farben sehen will, die kein Foto je wirklich einfangen kann, und wer bereit ist, sich auf das Einfache einzulassen, der wird hier etwas finden: Ruhe, Weite – und vielleicht auch ein Stück von sich selbst.