Spätherbst auf dem Schneekopf

Es war einer dieser Tage, an denen der Wald flüstert. Der November hatte die Bäume längst entkleidet, der Boden war weich und raschelnd, bedeckt von einem Teppich aus feuchtem Laub. Ich liebe diese Zeit, in der die Natur sich zurückzieht und in gedeckten Tönen spricht. Keine lärmenden Farben mehr, keine drängelnden Menschenmengen – nur die stille Kraft des beginnenden Winters.

Mein Ziel: der Schneekopf, mit 978 Metern einer der höchsten Punkte im Thüringer Wald. Schon der Name klingt nach rauem Wetter, nach klarer Luft und weitem Blick. Und tatsächlich: Bereits zu Beginn der Tour wehte ein frischer Wind durch die kahlen Baumkronen, trieb Nebelfetzen über den Pfad und ließ mich schneller gehen, als ich es geplant hatte.

Wege im Nebel

Die Wanderung begann in Gehlberg, einem kleinen Ort, der an diesem grauen Novembermorgen fast verlassen wirkte. Schon nach wenigen Schritten hatte ich das Gefühl, allein unterwegs zu sein. Nur das leise Knacken von Ästen und das Rufen eines Eichelhähers begleiteten mich. Der Pfad schlängelte sich durch Fichtenwälder, vorbei an bemoosten Steinen und dichten Farnpolstern, die dem Waldboden selbst jetzt noch etwas Lebendiges verliehen.

Je höher ich kam, desto dichter wurde der Nebel. Sichtweiten von wenigen Metern ließen mich immer wieder innehalten. Aber anstatt mich zu verunsichern, wirkte dieser Dunst wie ein natürlicher Filter, der alles Unwesentliche ausblendete. Jeder Schritt, jeder Atemzug wurde bewusster. Ich nahm das Rauschen des Windes, das Tropfen von Wasser und mein eigenes Gehen intensiver wahr als sonst.

Über dem Wald auf dem Schneekopf

Nach etwa anderthalb Stunden öffnete sich der Wald. Die letzten Bäume standen wie Wächter am Rand einer weiten Lichtung. Und dann war er da: der Schneekopf. Ein stiller, karger Gipfel mit einer Aussichtsplattform, die sich wie ein kleines Schiffsdeck über das Land erhebt.

Der Wind hatte hier oben freie Bahn. Ich zog die Kapuze enger und trat auf die Plattform hinaus. Über mir graue Wolken, unter mir ein wogendes Meer aus Nebel, das in den Tälern hängen blieb. Und dazwischen immer wieder kleine Lücken, durch die man den Kamm des Thüringer Waldes erahnen konnte.

Es war kein spektakuläres Panorama mit Postkartenblick, aber es war echt. Und wunderschön in seiner eigenen, herbstlichen Melancholie. Ich blieb lange oben. Trank Tee aus meiner Thermosflasche und ließ den Blick schweifen. Es war einer dieser Momente, in denen die Zeit stillsteht, weil sie nichts will. Nur sein.

Rückweg mit Lichtblick

Der Rückweg führte mich über eine andere Route. Ein sanfter Abstieg durch offene Hochflächen, auf denen sich vereinzelt Birken und kleine Fichten hielten. Kurz vor dem Ort riss der Himmel auf, und für wenige Minuten fiel warmes Licht über die Landschaft. Es war, als hätte der Tag mir zum Abschied noch ein freundliches Zwinkern geschenkt.

Zurück in Gehlberg gönnte ich mir ein spätes Mittagessen in einer kleinen Gaststube, deren Fenster beschlagen waren und aus der es nach Suppe roch. Mein Gesicht war vom Wind gerötet, meine Gedanken klar. Die Stille des Waldes, der raue Gipfel, das Spiel von Nebel und Licht – all das hatte Spuren hinterlassen.

Wandern in der Übergangszeit

Der Schneekopf im November ist kein Ort für spektakuläre Sonnenaufgänge oder dramatische Berglandschaften. Aber wer sich auf die leisen Töne der Natur einlässt, wird reich belohnt. Diese Wanderung ist wie ein gutes Buch: ruhig, tief und voller Atmosphäre. Ideal für alle, die dem Alltag für ein paar Stunden entfliehen und sich mit frischer Luft und neuen Gedanken füllen möchten.