Schnee und Stille auf dem Nenkersberg

Es ist ein kalter, klarer Februarmorgen, als ich meine Wanderung auf den Nenkersberg starte. Die Sonne tastet sich zögerlich durch ein dünnes Wolkenband, und der Frost hat die Landschaft in einen zarten Schleier aus Weiß gehüllt. Die Stille ist fast vollkommen – nur das leise Knirschen meiner Schritte im Schnee begleitet mich.

Einsteigen in die Ruhe

Schon nach wenigen Metern spüre ich: Das wird keine gewöhnliche Wanderung. Der Westerwald zeigt sich in seinem Winterkleid von einer stillen, fast kontemplativen Seite. Der Weg führt mich durch lichte Laubwälder, die ihre Blätter längst verloren haben. Ihre knorrigen Silhouetten zeichnen sich schwarz gegen das fahle Winterlicht ab – ein faszinierendes, fast grafisches Spiel aus Formen und Schatten.

Zwischendurch raschelt es im Unterholz – ein Reh vielleicht oder ein Hase, der sich aus seiner Deckung wagt. Die Natur scheint den Atem anzuhalten, als würde sie den Frühling noch einmal hinauszögern wollen.

Der Pfad zum Gipfel

Je höher ich steige, desto weiter öffnet sich die Landschaft. Die Steigung ist moderat, gut zu gehen, aber stetig – genau richtig, um sich in Bewegung zu verlieren. Zwischendurch bleibe ich stehen, drehe mich um und genieße den Blick über die sanften Hügel des Westerwalds. Die Felder darunter wirken wie mit Puderzucker bestäubt, die Wälder wie gemalt.

Besonders eindrucksvoll ist die Stille. Kein Verkehrslärm, kein Stimmengewirr – nur der Wind, der leise durch die kahlen Äste streicht. Diese Ruhe ist es, die ich am Winterwandern so liebe. Sie macht den Kopf frei, lässt Gedanken zur Ruhe kommen und schafft Raum für neue Eindrücke.

Auf dem Nenkersberg

Oben angekommen, belohnt mich der Nenkersberg mit einer weiten Aussicht. Der Himmel ist inzwischen aufgeklart, und die Sonne taucht die Landschaft in ein silbriges Licht. In der Ferne kann ich die Höhenzüge des Siebengebirges erahnen, während unter mir der Westerwald in seinem eigenen Rhythmus ruht.

Ich setze mich auf einen gefrorenen Baumstamm und lasse den Blick schweifen. Der Moment gehört mir allein – keine Menschenseele weit und breit. Der Wind ist kühl, aber nicht unangenehm. Ich atme tief ein, schmecke die Kälte und spüre das Leben in jeder Faser.

Der Rückweg durch den Winter

Beim Abstieg folge ich einem anderen Weg. Die Spuren im Schnee verraten, dass hier seit Tagen niemand mehr entlanggegangen ist. Jeder Schritt fühlt sich an wie eine kleine Entdeckung. Ich komme an alten Grenzsteinen vorbei, die an vergangene Zeiten erinnern, und an einem halb zugefrorenen Bach, dessen Wasser unter einer dünnen Eisschicht murmelt.

Die Nachmittagssonne legt sich golden über die Landschaft. Ihr Licht bringt selbst die grau-braunen Winterfarben zum Leuchten. Der Tag neigt sich dem Ende, aber meine Gedanken sind weit, ruhig und klar.

Die Magie des Unspektakulären

Die Wanderung auf den Nenkersberg hat mich tief berührt. Vielleicht gerade, weil sie so still ist. So ehrlich. So nah dran an dem, was Natur im Winter ausmacht: Reduktion, Klarheit, Ruhe. Wer den Westerwald in seiner unaufgeregten Schönheit erleben will, findet auf dem Nenkersberg ein kleines, stilles Paradies. Gerade im Februar, wenn alles noch schläft.