Der März trägt Grau am Langenberg
An diesem Märzmorgen liegt der Wald unter einer dicken Decke aus Wolken. Kein Schnee mehr, noch kein Frühling – eine Zwischenzeit, die gern übersehen wird. Genau deshalb bin ich hier: um zu erleben, wie die Landschaft sich neu sortiert, wie sie sich streckt nach Licht, noch bevor es warm wird.
Ich starte bei Küstelberg. Die Wege sind feucht, das Laub vom Vorjahr matschig und schwer. Aber der Wald riecht satt, fast würzig. Nichts ist glattpoliert oder inszeniert, es ist das rohe, echte Draußensein. Der Wind hat noch Biss, und der Nebel zwischen den Stämmen verschluckt Geräusche wie ein stiller Mantel.
Auf leisen Sohlen nach oben
Der Weg windet sich sanft, fast unmerklich bergauf. Keine steilen Anstiege, keine Felsen, eher ein langsames Emporsteigen durch das Rückenmark des Rothaargebirges. Je höher ich komme, desto stiller wird es. Keine Menschen, keine Räder, keine Stimmen. Nur ich, das leise Rauschen der Baumwipfel, und der eigene Takt.
Die Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Hessen verläuft fast beiläufig hier oben, aber sie gibt der Wanderung etwas Besonderes. Ich gehe zwischen Bundesländern und irgendwie auch zwischen den Jahreszeiten. Die ersten Knospen an den Büschen, dazwischen noch Eisreste im Schatten. Alles ist in Bewegung, aber noch nicht angekommen.
Unspektakulär und gerade deshalb stark
Der Langenberg ist kein klassischer Gipfel. Kein Kreuz, kein Felsenmeer. Eher ein welliger Höhenrücken mit Lichtungen und alten Buchen. Und trotzdem hat dieser Ort eine Präsenz. Vielleicht liegt es an der Weite, die sich hier öffnet. Vielleicht an der Einsamkeit, die ihn umgibt.
Ich erreiche den höchsten Punkt Nordrhein-Westfalens. Kein dramatischer Moment, kein Weitblick bis zum Horizont. Nur ich und ein schlichtes Schild. Und doch ist es genau das, was diesen Ort auszeichnet: Er schreit nicht, er wartet. Wer ihn sehen will, muss langsamer schauen. Ich bleibe einen Moment. Lausche in den Wald. Sehe ein paar Krähen über das graue Licht gleiten. Atme tief durch.
Rückweg mit Boden unter den Füßen
Auf dem Rückweg ändert sich etwas. Vielleicht ist es das Licht, das sich durch die Wolken tastet. Vielleicht bin ich es. Ich spüre, wie die Gedanken klarer werden. Der Kopf, vorher voll mit Alltag, ist jetzt leer. Der Weg führt durch Fichtenreihen, über kleine Lichtungen, an einem Bach entlang, der sich durch das Unterholz zieht.
Die Landschaft ist schlicht, aber ehrlich. Kein Postkartenblick, keine Dramatik. Dafür Details: ein leuchtendes Moos, das Tropfen sammelt. Ein Specht, der irgendwo klopft. Fußspuren von Rehen im feuchten Boden. Es sind genau diese kleinen Dinge, die sich einbrennen.
Eine stille Wanderung mit Tiefgang
Der Langenberg ist kein Berg für große Gesten. Aber genau das macht ihn wertvoll. Er zeigt, wie kraftvoll Stille sein kann. Wie viel ein Weg bedeutet, wenn man ihn mit allen Sinnen geht. Wer klare Pfade sucht, wird hier nicht viel finden. Wer bereit ist, sich einzulassen umso mehr.
Ich komme zurück mit nassen Schuhen, kalten Fingern und dem Gefühl, dass dieser unscheinbare Höhenzug etwas mit mir gemacht hat. Es muss nicht immer ein Gipfelkreuz sein. Manchmal reicht ein Pfad durch Nebel und Wald, um sich selbst ein Stück näherzukommen.