Der Hohestein im tristen Frühling
Der Tag beginnt unscheinbar. Tiefhängende Wolken, fahles Licht, nasse Erde. Perfekte Bedingungen für eine Wanderung auf den Hohestein? Vielleicht nicht auf den ersten Blick. Aber ich weiß: Er lebt von seiner Stimmung.
Ich starte am Waldrand südlich von Lauenstein. Es riecht nach feuchtem Laub, nach Fels und Moos. Der Pfad steigt sanft an, zieht sich in langen Kurven durch den Buchenwald. Und schnell wird klar: Der Hohestein ist kein Ort, der sich sofort zeigt. Er verlangt Geduld und schenkt dafür Tiefe.
Buchenwälder mit Charakter
Der Hohestein hat etwas Eigenes. Nicht dramatisch hoch, nicht spektakulär inszeniert, aber wild in den Details. Die Buchen hier sind alt, knorrig, schiefgewachsen. Sie stehen nicht einfach nur da, sie erzählen. Von Wind, von Sturm, von Jahrzehnten. Ich halte immer wieder an, streiche über Rinde, schaue hinauf in das dichte Astgewirr. Überall Moos, überall Leben – selbst jetzt, im noch kargen März.
Der Weg wird schmaler. An manchen Stellen tauchen Felsblöcke auf wie erstarrte Wellen. Der Hohestein ist ein altes Mittelgebirge, aus Kalkstein geformt. Wer genau hinsieht, entdeckt kleine Höhlen, Risse, Spalten, als hätte die Erde hier den Atem angehalten.
Am Hohestein angekommen
Dann öffnet sich der Wald. Plötzlich stehe ich auf einem Felsplateau. Der Hohestein. Kein Gipfelkreuz, kein Geländer. Nur schroffer Stein, Wind und eine Aussicht, die mich für einen Moment sprachlos macht.
Unter mir rollen sich Wälder, Felder, Dörfer in die Ferne. Die Wolken hängen tief, das Licht bricht stellenweise durch und setzt helle Akzente auf Hügelkuppen und Äcker. Es ist nicht das klassische Postkartenbild. Es ist echter, wilder, lebendiger.
Ich setze mich auf den Fels, lasse die Beine baumeln. Kein Handyempfang, kein Geräusch außer dem Wind. Ich bleibe lange. Nicht, weil ich muss, sondern weil ich will.
Rückweg zwischen Stein und Stille
Der Abstieg führt mich durch steiniges Gelände. Umgestürzte Bäume liegen quer, ein Bach schneidet sich durch den Boden, die Luft ist frisch und voller Feuchtigkeit. Ich sehe Wildspuren im Schlamm, höre irgendwo einen Specht arbeiten.
Wieder zieht sich der Pfad durch dichte Buchen, diesmal von unten betrachtet. Der Blick zurück zeigt, wie der Hohestein sich in die Landschaft einfügt – kaum sichtbar, aber spürbar. Ein Ort, der sich nicht aufdrängt, sondern einlädt. Wer hier wandert, muss selbst präsent sein – sonst geht das Beste unbemerkt vorbei.
Ein Fels mit Haltung
Die Wanderung auf den Hohestein ist keine Tour für schnelle Erfolge. Aber sie ist eine, die bleibt. Der Berg wirkt auf leisen Sohlen, aber er wirkt. Seine Wälder, seine Felsen, sein ganz eigener Rhythmus machen ihn zu einem Ort, der nicht laut sein muss, um in Erinnerung zu bleiben.
Ich gehe zurück mit schweren Schuhen und der Gewissheit, dass es oft genau diese stillen Wege sind, die am meisten erzählen. Der Hohestein spricht nicht laut. Aber wer hinhört, hört genug.