Kühle Luft auf der Hohen Egge
Am Wanderparkplatz Pötzen schlägt mir eine kalte Brise entgegen, es wird Zeit für eine Winterwanderung. Voller Vorfreude tauche ich in den stillen Wald des Süntelgebirges ein. Schon nach wenigen Schritten umgibt mich die Ruhe des Winterwaldes. Nur das Knirschen meiner Schritte auf gefrorenem Laub und das entfernte Klopfen eines Spechts durchbrechen die Stille.
Schmale Pfade durch den Süntelwald
Der Pfad windet sich zunächst am Fuße des Berges entlang und führt vorbei an moosbewachsenen Felswänden, an denen sich Eiszapfen gebildet haben. Zwischen schlanken Buchenstämmen zieht sich der schmale Pfad in Serpentinen den Hang hinauf. Mein Atem bildet kleine Wölkchen und mein Herz schlägt kräftig, während ich immer weiter aufsteige. Obwohl die Hohe Egge mit knapp 450 Metern kein Riese ist, verlangt der steile Anstieg doch einiges an Kondition. Immer wieder bleibe ich kurz stehen, um durchzuatmen und die Stimmung aufzusaugen. Die Bäume stehen hier oben dicht, doch ohne Laub geben sie den Blick frei auf das umliegende Hügelland. Hinter mir erkenne ich bereits die sanften Erhebungen des Weserberglandes, verhangen im morgendlichen Dunst.
Nach gut einer Stunde erreiche ich eine Stelle, an der es etwas lichter wird: die Berggaststätte Eulenflucht, die allerdings am frühen Vormittag noch geschlossen ist. Vor der kleinen Holzhütte öffnet sich eine Freifläche, von der aus ich eine erste weite Aussicht genießen kann. Ein paar liegende Baumstämme dienen mir als Sitzbank. Von hier oben schweift mein Blick über das Wesertal tief unten. Im Licht des Wintervormittags wirken die Felder und Wiesen im Tal blassgrün und braun. Die Szenerie liegt ruhig und friedlich da, fast als würde die Landschaft noch schlafen. Ich atme die kalte Luft tief ein und spüre, wie sich trotz der niedrigen Temperaturen eine Zufriedenheit in mir ausbreitet.
Großartiger Ausblick am Süntelturm
Nach dieser kurzen Rast folge ich dem Weg weiter Richtung Gipfel. Die letzten Meter führen erneut durch dichten Nadelwald, dann ebnet sich der Pfad: Ich habe die Hohe Egge erreicht und stehe am höchsten Punkt des Süntel. Vor mir erhebt sich der Süntelturm: ein runder Aussichtsturm aus Sandstein, der hier seit über hundert Jahren über die Baumwipfel ragt. Kein anderer Wanderer ist weit und breit zu sehen, ich habe den Gipfel ganz für mich allein.
Zwar kann ich den Turm nicht besteigen, doch schon von hier unten bietet sich ein lohnender Ausblick. Durch Lücken in den Bäumen blicke ich weit über die umliegenden Wälder und Hügel. Im Süden öffnet sich der Blick ins Weserbergland, wo die Sonne mittlerweile durch die Wolken bricht und die Landschaft in goldenes Licht taucht. Unter mir ziehen sich endlose Wälder den Hang hinab, durchbrochen von kahlen Lichtungen. Ich denke daran, wie grandios das Panorama von der Turmspitze sein muss. Heißt es doch, man könne an klaren Tagen bis zum Harz im Südosten und nach Norden bis zum Steinhuder Meer sehen.
Auch jetzt bin ich überwältigt von der Schönheit dieses Ortes. Ich setze mich auf eine Bank am Turm und packe meine mitgebrachten Snacks aus. In absoluter Stille genieße ich jeden Bissen und jeden Augenblick. Nur das sanfte Rascheln eines vertrockneten Blattes und mein eigener Atem sind zu hören. Diese Einsamkeit hier oben auf der Hohen Egge hat etwas Majestätisches und Beruhigendes zugleich.
Auf unbekannten Pfaden zurück
Schließlich wird es Zeit für den Abstieg. Die kurze Helligkeit dieses Wintertages mahnt mich, nicht zu spät aufzubrechen. Ich beschließe, für den Rückweg einen alternativen Pfad zu wählen, der laut Wegweiser ebenfalls zu meinem Ausgangspunkt führt. Dieser Weg ist etwas länger, aber weniger steil und führt zunächst auf der Rückseite des Berges entlang. Weich gepolsterte Kiefernnadeln dämpfen meine Schritte und das sanfte Gefälle sowie der federnde Waldboden lassen mich zügig vorankommen. Die tiefer stehende Nachmittagssonne schickt ihre letzten Strahlen schräg durch die Stämme und taucht den Wald um mich herum in warmes Licht.
Während des Abstiegs denke ich über die Erlebnisse nach: Ich habe nur ganz wenige andere Menschen gesehen und genau das macht diesen Ausflug so besonders. Allein unterwegs zu sein, lässt mich die Natur intensiver wahrnehmen. Jeder knorrige Baum am Wegesrand, jeder Vogelruf und selbst der frostige Duft der Erde im Winter werden Teil meines kleinen Abenteuers. Wenig später höre ich unten im Tal wieder das leise Rauschen eines Baches. Ein sicheres Zeichen, dass mein Ausgangspunkt nicht mehr weit ist. Kurz darauf trete ich aus dem Wald und entdecke den Parkplatz im dämmrigen Licht.
Die Wanderung auf die Hohe Egge im Süntel zeigt, dass ein grauer Wintertag voller kleiner Wunder stecken kann. Die Mischung aus der körperlichen Herausforderung beim Aufstieg, der ungestörten Ruhe der Natur und den weiten Ausblicken vom Süntelturm belohnt jede Mühe. Jedem naturbegeisterten Wanderer kann ich das winterliche Wandererlebnis auf der Hohen Egge nur ans Herz legen.