Goldener Herbst auf dem Bremberg
Anfang November lockt mich ein strahlend goldener Herbsttag nach Bremberg, ein kleines Dorf am westlichen Rand des Taunus. Es begrüßt mich an diesem Morgen still und wie leer gefegt. Die Fachwerkhäuser im Ortskern schmiegen sich eng aneinander und ein Hauch von Nebel liegt über den Gärten.
Ein hölzernes Wanderschild mit der Aufschrift „Klosterweg“ weist aus dem Dorf hinaus. Das ist genau der Pfad, den ich suche. Mit den ersten Schritten auf dem knirschenden Kiesweg lasse ich Bremberg hinter mir und tauche ein in die herbstliche Landschaft.
Die Natur ist farbenfroh
Schon kurz nach den letzten Häusern beginnt der Wald. Hainbuchen und Eichen bilden ein goldenes Blätterdach über dem Pfad. Die Sonne kämpft sich durch schnell ziehende Wolken und schickt einige Lichtstreifen auf den von raschelndem Laub bedeckten Boden. Der Wind lässt die Bäume rauschen und es entsteht ein lebhaftes Konzert der Natur, zu dem das Knacken meiner Schritte den Takt vorgibt. Etwa zehn Grad hat es heute, doch vom stetigen Anstieg wird mir schnell warm. Erst eine kräftige Böe, die bunte Blätter wie Konfetti aufwirbelt, erinnert mich daran, den Jackenreißverschluss wieder hochzuziehen.
Hin und wieder kommt ein Wanderpärchen grüßend vorbei, doch die meiste Zeit habe ich die Stille des Waldes für mich allein. Kein Verkehrslärm dringt hierherauf, nur ein huschendes Eichhörnchen durchbricht die Ruhe. Diese Einsamkeit fühlt sich herrlich befreiend an, als gehörten der Pfad und die ganze bunte Herbstwelt für ein paar Stunden nur mir.
Auf den Spuren eines Klosters
Nach einigen Kilometern durch den Wald und über lichte Wiesen erscheinen erste moosbewachsene Mauern am Weg. Es sind die Überreste der Klosterruine Brunnenburg. Neugierig steige ich ein paar Stufen hinauf zu dem historischen Ort. Hier oben lebten vor vielen Jahrhunderten Nonnen hinter dicken Klostermauern, jetzt sind nur noch Teile der alten Gemäuer inmitten von Farn und Moos zu sehen. Ich berühre vorsichtig das kühle Gestein und spüre förmlich die Geschichte, die in diesen Steinen steckt. In Gedanken stelle ich mir vor, wie an diesem abgeschiedenen Fleck einst die Klosterglocke den Tagesablauf der Schwestern bestimmte.
Ein hölzerner Wegweiser mit einer gelben Jakobsmuschel darauf überrascht mich: Offenbar kreuzen hier oben der Jakobsweg Lahn-Camino und der Fernwanderweg E1 meinen Pfad. Ohne es zu ahnen, wandere ich also in den Fußspuren unzähliger Pilger. Dieses Wissen erfüllt mich mit einem Gefühl tiefer Verbundenheit, während ich meinen Proviant auspacke. Auf einer sonnengewärmten Steinplatte mache ich Rast. Die mitgebrachten Brötchen und ein Apfel schmecken mit dieser Aussicht gleich doppelt so gut.
Windige Aussicht ins Lahntal
Gestärkt gehe ich die letzten Meter auf die Spitze des Brembergs. Vor mir eröffnet sich ein Panorama, das mich begeistert: Tief unten windet sich die Lahn als glitzerndes Band durch die bunten Wälder des Tals. Von hier oben wirken die Flussschleifen wie einzelne blaue Seen, die zwischen den Hügeln aufblinken. Kein Wunder also, dass die Einheimischen diesen Aussichtspunkt „Vierseenblick“ nennen. Auf der gegenüberliegenden Talseite erkenne ich den weißen Turm des Klosters Arnstein über den Bäumen sowie die steilen Weinberge beim kleinen Winzerort Obernhof unten am Fluss. Die Landschaft präsentiert sich in allen Herbstfarben, von leuchtendem Gelb über warmes Orange bis zu Rostrot an den fernen Hängen.
Eine heftige Windböe zerrt an meiner Mütze und ich spüre, wie mir kälter wird. Einen Moment balanciere ich mit ausgebreiteten Armen gegen den Wind und fühle mich dem Himmel ein Stück näher. Minutenlang stehe ich einfach da, lasse mir den Wind um die Nase wehen und sauge die friedliche Szenerie in mich auf. Der weite Blick ins Lahntal, eingerahmt von sanften Hügelzügen, sorgt für maximale Entspannung.
Durch die Herbstlandschaft zurück
Schließlich mache ich mich an den Abstieg. Der Rundweg führt auf einem schmalen Pfad weiter durch den Wald, vorbei an moosigen Felsen und einem kleinen Bach, der sich plätschernd in Richtung Lahn schlängelt. Allmählich senkt sich die Sonne und taucht die Baumstämme in goldenes Licht. Die letzten Meter zurück nach Bremberg gehe ich über einen Hohlweg, dessen Böschungen von Wurzeln und Steinen gesäumt sind. Als die ersten Häuser des Dorfes wieder vor mir auftauchen, bin ich etwas müde und gleichzeitig sehr glücklich.
Nach knapp vier Stunden endet meine Tour. Es war eine moderat anspruchsvolle Strecke ohne nennenswerte technische Schwierigkeiten. Unterwegs gibt es keine Einkehrmöglichkeit und auch in Bremberg selbst entdecke ich keine Gaststätte. Wer die Wanderung nacherleben möchte, sollte also ausreichend Proviant und Getränke dabeihaben. Dafür entschädigt die Strecke mit intensiven Naturerlebnissen und himmlischer Ruhe. Jedem Naturfreund kann ich sie wärmstens ans Herz legen.